Cybersicherheit 2025: Europas Weg zu digitaler Souveränität und Resilienz
Die Cybersicherheitslandschaft in Europa durchläuft einen fundamentalen Wandel. Der HarfangLab State of Cybersecurity Report 2025 zeigt deutlich: Europäische Unternehmen stehen vor einer Zeitenwende, die von steigenden Bedrohungen, der Durchdringung künstlicher Intelligenz und einem wachsenden Bewusstsein für digitale Souveränität geprägt ist.
Während 40% der befragten Unternehmen ihr Cyber-Bedrohungsniveau als extrem oder sehr schwerwiegend einschätzen, zeichnet sich ein strategischer Paradigmenwechsel ab: Weg von der reinen Abwehr hin zu ganzheitlicher Resilienz, weg von der Abhängigkeit hin zur digitalen Souveränität. Dieser Wandel wird durch geopolitische Spannungen, den Einsatz von KI sowohl als Angriffs- als auch als Verteidigungsinstrument und eine Rückbesinnung auf lokale, kontrollierbare Infrastrukturen vorangetrieben.
Die verschärfte Bedrohungslage: Neue Dimensionen der Cyberrisiken
Die Bedrohungslandschaft hat sich dramatisch intensiviert. Mehr als die Hälfte der im Rahmen des Cybersecurity Report 2025 befragten Unternehmen (53%) sehen Datenlecks als die verheerendste Folge eines Cyberangriffs – ein Befund, der die wachsende Bedeutung von Daten als kritischem Unternehmenswert unterstreicht. Systemausfälle, Spionage, Ransomware und Imageschäden folgen als weitere zentrale Risikofaktoren.
Diese Verschärfung der Bedrohungslage ist kein Zufall. Drei wesentliche Faktoren treiben die Entwicklung voran: Geopolitische Spannungen haben Cyberkriegsführung zu einem alltäglichen Phänomen gemacht, die explosionsartige Zunahme von Endpunkten durch IoT-Geräte und Remote Work hat die Angriffsfläche vervielfacht, und die wachsende Abhängigkeit von Drittanbietern schafft neue Schwachstellen in der Lieferkette.
Künstliche Intelligenz: Fluch und Segen zugleich
Künstliche Intelligenz nimmt eine paradoxe Rolle in der Cybersicherheit ein. 58% der Unternehmen identifizieren die KI-Entwicklung als Haupttreiber für steigende Cyberrisiken, da Angreifer diese Technologie nutzen, um Attacken zu automatisieren und zu verschleiern. Gleichzeitig setzen 82% der Unternehmen auf KI-gestützte Sicherheitslösungen zur Abwehr eben dieser Bedrohungen.
Diese Dualität spiegelt sich in der Haltung der Unternehmen wider: Während sie KI als unverzichtbares Werkzeug der Cyberverteidigung anerkennen, bleiben sie skeptisch gegenüber übertriebenen Versprechungen. 59% befürchten, dass Anbieter die Möglichkeiten von KI übertreiben, und fast 80% halten menschliche Analysten trotz fortschrittlicher KI-Systeme für unverzichtbar.
Diese Erkenntnis ist wegweisend: Die Zukunft der Cybersicherheit liegt nicht in der Ersetzung menschlicher Expertise durch KI, sondern in der intelligenten Symbiose zwischen maschineller Effizienz und menschlicher Intuition.
Von Reliance zu Resilience: Der strategische Paradigmenwechsel
Der vielleicht bedeutendste Wandel in der Cybersicherheitsstrategie ist die Abkehr von der reinen Präventionsmentalität hin zu einer umfassenden Resilienz-Philosophie. Während sich 69% der Unternehmen gut auf die Prävention vorbereitet fühlen, sind es bei der Reaktionsfähigkeit auf Vorfälle nur noch 65% – ein Rückgang im Vergleich zum Vorjahr, der deutlichen Nachholbedarf bei der Incident Response offenbart.
Diese Entwicklung reflektiert eine reife Erkenntnis: In einer Welt, in der Cyberangriffe nicht mehr eine Frage des "Ob", sondern des "Wann" sind, wird die Fähigkeit zur schnellen und effektiven Reaktion wichtiger als die perfekte Abwehr. Resilienz bedeutet, Angriffe nicht nur zu erkennen, sondern auch die Geschäftskontinuität aufrechtzuerhalten und schnell zur Normalität zurückzukehren.
On-Premises-Renaissance: Kontrolle durch lokale Infrastrukturen
Eine überraschende Entwicklung zeigt sich in der Infrastrukturstrategie: 31% der Unternehmen bevorzugen wieder On-Premises-Lösungen, insbesondere für kritische Anwendungen wie Endpoint Detection & Response. Diese Rückbesinnung auf lokale Infrastrukturen ist kein Rückschritt, sondern eine bewusste strategische Entscheidung.
Die Gründe sind vielfältig und strategisch durchdacht: Kontrolle über Updates und Systemaktualisierungen, bessere Einhaltung von Datenschutzvorgaben, Reduktion von Drittanbieter-Risiken und Schutz vor ausländischer Überwachung. Besonders Behörden, Gesundheitswesen und IT-Unternehmen setzen verstärkt auf lokale Lösungen, um kritische Daten und Systeme unter direkter Kontrolle zu behalten.
Europäische Anbieter im Aufwind
Die Hinwendung zu digitaler Souveränität schlägt sich auch in der Anbieterwahl nieder: Sieben von zehn Unternehmen erwägen einen Wechsel zu europäischen Cybersecurity-Anbietern. Diese Entwicklung wird durch regulatorische Rahmenbedingungen verstärkt: 94% halten europäische und lokale Cybersicherheitsregulierung wie GDPR und NIS2 für notwendig, 70% sehen Europa als weltweiten Vorreiter bei Datenschutz und Cybersecurity.
Europäische Lösungen punkten mit technischer Gleichwertigkeit, kultureller Nähe und besserer Einhaltung lokaler Vorschriften. Dennoch werden sie teilweise noch als weniger funktionsreich wahrgenommen – ein Wahrnehmungsproblem, das sich durch kontinuierliche Innovation und bessere Kommunikation der Leistungsfähigkeit lösen lässt.
Persistente Herausforderungen
Trotz aller strategischen Fortschritte bleiben strukturelle Herausforderungen bestehen. Der Fachkräftemangel bleibt ein zentrales Problem, besonders in Deutschland und Belgien. Die Komplexität der IT-Landschaft und fragmentierte Sicherheitslösungen erschweren den Überblick und die effektive Steuerung.
Remote Work bleibt eine Schwachstelle und treibt Investitionen in Endpoint- und Zugriffsmanagement. Diese Herausforderungen erfordern nicht nur technische, sondern auch organisatorische und kulturelle Lösungsansätze.
Empfehlungen für die Zukunft
Der Bericht fordert einen strategischen Wandel, der über punktuelle Maßnahmen hinausgeht. Unternehmen sollten in transparente, KI-gestützte und menschlich geführte Sicherheitsstrategien investieren. Die Zusammenarbeit mit vertrauenswürdigen, europäischen Partnern und der Aufbau eines souveränen Ökosystems werden als Schlüssel für die Zukunft gesehen.
Dabei geht es nicht um Abschottung, sondern um eine durchdachte Balance zwischen Offenheit und Kontrolle, zwischen globaler Vernetzung und lokaler Souveränität.
Fazit: Eine neue Ära der Cybersicherheit
Die Cybersicherheitslandschaft 2025 in Europa steht am Beginn einer neuen Ära. Sie ist geprägt von steigenden Bedrohungen, der wachsenden Bedeutung von KI, dem Ruf nach digitaler Souveränität und einer Rückbesinnung auf Kontrolle durch lokale Infrastrukturen.
Quelle:
HarfangLab (2025): State of Cybersecurity Report 2025. Verfügbar unter: https://25847055.fs1.hubspotusercontent-eu1.net/hubfs/25847055/HarfangLab%20State%20of%20Cybersecurity%20Report.pdf [Zugriff: 11.07.2025].